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Viller Mühle

 

Gutachtliche Stellungnahme zum Denkmalwert:

Geschichte

Der Ort Viller wurde bereits in den Jahren 751 und 752 in einer Schenkungsurkunde der Abtei Echternach erwähnt. 1291 verkaufte ein Verwandter der Grafen von Geldern, Johann von Malberg, mit mehreren Gütern zwischen Gennep und Goch auch den Hof Hommersum an das Kloster Graefenthal. Zu diesem Hof gehörte die Viller Mühle. Die Mühle wurde mehrfach im 14. und 16. Jahrhundert erwähnt. Bei einer Flussinspektion und Mühlenschau am 28.08.1600 sind in Viller Korn- und Ölmühle genannt. Auch im 17. und 18. Jahrhundert taucht die Mühle in mehreren Urkunden auf. Mit der Säkularisation und Versteigerung der klösterlichen Gebäude wechselte auch die Mühle in Privathand, wurde zunächst verpachtet und schließlich 1806 an den Schankwirt Peter van Bergen für 10000 Franken versteigert. 1849 war die Mühle noch im Eigentum der Erben van Lim. Spätestens 1853 war Peter Frans Mathysen Mühlenbesitzer. Er ließ ein drittes Wasserrad als separaten Antrieb für eine auch zuvor schon im Zusammenhang mit der Ölmühle betriebene Sägemühle anbringen.
Die Gebrüder Johann und Ludwig Mathysen gelten als Neubegründer der Viller Mühle.
Mit dem Antrag auf einen dritten Mahlgang 1869 ist möglicherweise das Baujahr des Mühlentraktes überliefert. 1877 stellten die Gebrüder Mathysen Antrag auf Anlage einer schmalspurigen Pferdebahn von der Viller Mühle zum Bahnhof Hassum und erhielten 1887 die Genehmigung. Transportiert wurden mit der Bahn Getreide, Ölsamen und Kohle.
1890 entstand das dem Mühlentrakt vorgelagerte Wohnhaus und 1898 wurde das Kesselhaus für einen Zweiflammenrohrkessel der Firma Jaques Piedboef als Ersatz für ein älteres Kesselhaus erbaut. Für 1912 ist der Bau eines neuen Schornsteins überliefert, und vermutlich entstand in dieser Zeit in zwei Bauabschnitten auch der Silotrakt. Nachdem die Schrot- und Ölmühle 1913 total niederbrannte, mussten deren Gebäude erneuert werden.
Die Zahl der Beschäftigten stieg in dieser Zeit sprunghaft von 27 in den Jahren 1911 und 1912 auf 45 in den Jahren 1913 und 1914. Im Krieg fiel die Arbeiterzahl wieder auf 30 und 28. Bei einer Arbeitszeit von 7.00 bis 20.00 Uhr mit drei Pausen, wurden 10 Stunden am Tag gearbeitet.
Die Viller Mühle wurde seit 1930 nur noch mit Dampf und Strom betrieben. Mit Begradigung der Niers war die Mühle seit 1933 von der Antriebskraft Wasser abgeschnitten. 1940 wurde die Ölmühle und 1972 die Getreidemühle stillgelegt.

Beschreibung der denkmalwerten Gebäude
Die annähernd parallel zur Niers geführte alte Strasse von Kessel nach Hommersum durchschneidet das aus mehreren Gebäuden bestehende Ensemble der Viller Mühle. Südlich dieser Strasse liegt das ehemals zweigeschossige, herrschaftliche Wohnhaus der Mühlenbesitzer aus der Zeit um 1890 auf einem parkartigen Gelände. Es wurde in Neorenaissanceformen errichtet und hat einen eingeschossigen Flügelbau für das ehemalige Büro. Das ehemals mit Mansarddach und Belvedere bekrönte Wohnhaus wurde um ein Geschoss reduziert, ist heute mit einem steilen Walmdach gedeckt und wird wegen der baulichen Reduktion nicht mehr als Denkmal eingestuft.

Ebenfalls südlich der Strasse Kessel-Hommersum steht in enger Nachbarschaft zum Wohnhaus der Mühlenbesitzer ein ehemals wohl zur Mühle gehörendes Hofgebäude in unverputzter Backsteinarchitektur. Es war ursprünglich ein Hallenhaus aus der Zeit um 1890, an das um 1910 östlich ein Wohntrakt mit hohem Mansarddach und übergiebeltem Seitenrisalit angebaut wurde. Das Hallenhaus ist ein typischer Vertreter seiner Zeit mit dreiachsigem Wohngiebel und unlaufendem Konsolfries unter Traufen und Ortgang. Das steile Satteldach ist über dem Wohngiebel als Krüppelwalm ausgebildet. Tür- und Fensteröffnungen sind stichbogig geformt. In der Trauffassade befinden sich große Rolltore aus Holz als Zugang zum Stallteil.
Das Gebäude ist denkmalwert als Teil der Gesamtanlage.

Nördlich der Strasse steht auf winkelförmigem Grundriss die Getreidemühle. Sie gliedert sich in den zur Strasse orientierten Silotrakt und den rechtwinklig daran ansetzenden Mahltrakt mit Nebengebäuden.
In einem Abstand von etwa zehn Metern folgt die Backsteinanlage der Ölmühle.
Zwischen den beiden Mühlengebäuden floss die Niers. Das Wasser trieb an der Schmalseite des Mahltraktes ein Wasserrad, das in einem Radhaus untergebracht war (nicht erhalten). Zur Erschließung der Ölmühle führte über die Niers eine auf historischen Ansichten dargestellte Brücke, die wohl um 1930 zugeschüttet wurde und unter der Erdoberfläche noch erhalten sein dürfte.
Kern der Gesamtanlage ist der um 1870 errichtete Mahltrakt. Das schmale, langgestreckte Backsteingebäude ist fünfgeschossig und hat 6 zu 2 Achsen. Das sehr flache Satteldach tritt am Außenbau kaum in Erscheinung. Zwischen den Fenstern ist der Bau durch Wandvorlagen und als doppeltes Deutsches Band ausgebildete Geschossgesimse gegliedert. Unter der Traufe befindet sich ein kräftiges Konsolgesims aus gelben Verblendsteinen. In den Normalgeschossen sitzen segmentbogige Fenster, die über dem Sturz von Klötzchenfriesen begleitet werden. Das fünfte Obergeschoss wird belichtet von zwillingsweise gekuppelten, schlanken Rundbogenfenstern, deren Stürze mit gelben Ziegeln von den Wandflächen abgesetzt sind. In den Öffnungen sind die kleinteiligen Gusseisenfenster erhalten.

Die innere Konstruktion des Gebäudes besteht aus Holztüren in zwei Reihen. Die Stützen tragen längslaufende Unterzüge, auf denen die querlaufenden Balken für die Holzdecke auflagern. Die Aussparungen in den Decken dienten wohl als Durchlass für die Antriebselemente. Der vertikale Transport des Korns erfolgte durch einen Sackaufzug und durch einen Elevator, der das Korn in zwei auf Bohlen gezimmerte Kammern im fünften Obergeschoss förderte.
Im Erdgeschoss befinden sich eine Reihe von Fundamentblöcken aus Beton, auf denen wohl die Antriebswelle mit entsprechenden Antriebsrädern gelagert war. Auf diese Welle wirkte sowohl die Drehbewegung des Wasserrades, wie auch der im benachbarten Maschinenhaus aufgestellten Dampfmaschine. Die Kraftübertragung zu den Mahlgängen im Obergeschoss erfolgte wohl durch Transmissionsriemen.
An der östlichen Traufseite grenzen direkt an den Mahltrakt zwei parallel angeordnete eingeschossige Backsteinbauten für Dampfmaschine und Kessel. Auf das Kesselhaus folgt in einigem Abstand der hohe Schornstein. Der Fuchs zwischen Kesselhaus und Schornstein ist teilweise erhalten. Im Inneren der beiden Gebäude sind technische Ausstattungsteile nicht erhalten. Im Maschinenhaus weisen farbige Fußbodenfliesen noch die Lage der Dampfmaschine aus.

An der anderen Seite des Mahltraktes ist in Parallellage das Wohnhaus des Müllermeisters angefügt. Es ist ein zweigeschossiger Backsteinbau mit weit überkragendem Satteldach und 5szu 1 Achsen. Ein niedriger Zwischentrakt vermittelt zum Mühlengebäude. In den stichbogigen Öffnungen sind überwiegend die alten Holzfenster und die Hauseingangstür erhalten. Im Inneren ist die ursprüngliche Grundrissdisposition mit den alten Zimmertüren überliefert.

Das Silogebäude ist ebenfalls ein schmaler langgestreckter Backsteinbau mit flachem Satteldach, der in zwei nicht allzu weit auseinanderliegenden Bauphasen um 1910 errichtet wurde. Der Gebäudeteil mit den Silos ist im unteren Bereich fensterlos und wurde nur über die östliche Schmalseite belichtet (Fenster zugemauert). Der später angefügte westliche Gebäudeteil hat 3 zu 3 Achsen mit schwach segmentbogigen Fenstern. Das oberste Geschoss sitzt über einem Konsolfries und ist reich gegliedert mit Rundbogenfenstern und rundbogigen Blendnischen. Fenster und Nischen werden im älteren Gebäudeteil von gelben Verblendziegeln umrahmt. Auch der Konsolfries unter der Traufe ist aus gelben Ziegeln. Analog zum Mahltrakt sind die Fassaden mit Wandvorlagen gegliedert. In den Öffnungen sind die kleinsprossigen Metallfenster erhalten. An der Südseite der Trauffassade eine Rampe mit Pultdach vorgelagert. An der Nordseite ist auf ganzer Länge ein zweigeschossiger Erweiterungsbau mit Pultdach angefügt worden. Auf dem Dach ist in einem kubusförmigem Aufsatz mit Zeltdach ein Wasserbehälter untergebracht.
Im Inneren sind im eigentlichen Silotrakt die Betonsilos erhalten. Die hier ebenfalls untergebrachten Holzsilos wurden kürzlich ausgebaut. Im wesentlichen, durchfensterten Gebäudeteil befinden sich Geschossdecken aus Beton. Zur Erschließung der Obergeschosse dient eine Wendeltreppe aus Gusseisen. Auf den Geschossebenen befinden sich Einrichtungen zum Trocknen des Getreides. Elevatoren sorgten für die Förderung des Getreides in die Silos.

Die Ölmühle ist ein dreiteiliger Backsteinkomplex von 1913 mit hohem Silogebäude als Kopfbau, Mitteltrakt für Kollergang und Mischer und Lagerhalle.
Das kubusförmige Silogebäude mit 3 zu 3 Achsen ist gegliedert durch Wandvorlagen und mehrfach gestuftem Traufgesims, über das sich eine Attika erhebt, die das Dach vollständig verdeckt. Ein Stabwerk aus gelben Ziegeln unterteilt die Zone unter dem Traufgesims in schmale Wandstreifen. Dieses Gestaltungsmittel wird auch eingesetzt, um die schlank-hochrechteckigen Fenster in beiden Seitenfassaden in ein rasterartiges Netz von Backsteinpfeilern, Fensterstürzen und Sohlbänken einzufügen. Die Öffnungen im Mitteltrakt und Lagerhalle sind segmentbogig mit Stürzen, Sohlbänken und Klobensteinen in gelben Ziegeln. Beide Gebäudeteile werden auch mit Wandvorlagen gegliedert.
Im Inneren der Ölmühle befinden sich im Silobau die Betonsilos, die über Elevatoren und Schnecken mit Ölsaat gefüllt wurden. Unter diesem Gebäude soll sich im Bereich der durchfensterten Wandflächen noch die Turbine befinden. Die Turbine trieb über Transmissionsriemen eine noch erhaltene, quer durch alle Gebäudetrakte hindurchführende Transmissionswelle mit zahlreichen Antriebsscheiben. Von hier aus wurden mit Riemen Elevatoren, Kollergang (nicht erhalten) und Mischanlagen angetrieben. Zwei der älteren Mischbehälter aus Holz sind noch erhalten.

Bedeutung

Mit der urkundlichen Erwähnung von 1291 gehört die Viller Mühle zu den ältestes am Niederrhein. Die aufstehenden Gebäude überliefern den Standort dieser Mühle und sind daher in orts- und regionalgeschichtlicher Hinsicht von Bedeutung.
In Architektur und Technik gehört das rezente Objekt einer späteren Technologiestufe an, die in England Ende des 18. Jahrhunderts und in Deutschland mit der ersten Dampfmühle 1822 in Berlin begann. Im Zuge der Industrialisierung entstanden immer zahlreichere Dampfmühlen, die den althergebrachten Wind- und Wassermühlen heftige Konkurrenz bereiteten und das vielbeklagte Mühlensterben bewirkten. Die Dampfmühle war mit ihrem zentralen Antriebselement, den Transmissionswellen und -riemen wie eine Fabrik aufgebaut. Die aus dem Antriebssystem und der Fördertechnik noch zahlreich erhaltenen Elemente in der Viller Mühle verweisen auf den fabrikmäßigen Betrieb und sind bedeutend für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse. Sie sind umso wertvoller, als in anderen Fabriken durch Modernisierungen solche Elemente heute nicht mehr erhalten sind. Durch die abseitige, ländliche Lage hat sich dadurch für die industriearchäologische Forschung in Goch ein wertvolles Objekt erhalten.
Die Dampfmühlen des 19. Jahrhunderts bereicherten das Landschaftsbild, besonders des flachen Landes, mit ihren schmalen, hohen Bauten um einen ungewohnten Zug. In der architektonischen Detailgestaltung ist die Viller Mühle ein typisches Zeugnis des späten 19. Jahrhunderts. Es ist eine sachliche Formensprache, die noch gespeist wird aus dem im Klassizismus begründeten Rundbogenstil und zugleich in ihrer kubischen Schlichtheit die Moderne vorbereitet. Bemerkenswert ist die große Anzahl erhaltener Architekturdetails, wie zum Beispiel die gusseisernen Fenster und Treppen. Insofern ist die Viller Mühle ein Dokument für den Wandel des Landschaftsbildes und die wesentlich vom Industriebau geprägte Entwicklung der Architektur auf dem Weg zur Moderne.

Die Viller Mühle ist daher bedeutend für die Geschichte des Menschen, für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse und für die Geschichte der Stadt Goch. Ihre Erhaltung liegt aus städtebaulichen und wissenschaftlichen, besonders architektur-, technik- und ortsgeschichtlichen Gründen im öffentlichen Interesse.

 

Details des Denkmals

Adresse Viller 32, 47 574 Goch
Laufende Nummer 50
Eingetragen am

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