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Jüdischer Friedhof


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Der Friedhof am Ende der Reeser Straße ist der größte der drei jüdischen Friedhöfe in Goch. Sein Areal dehnt sich auf einer längsrechteckigen Fläche aus, welche durch Hecken und ein Tor von der Umgebung abgegrenzt wird und durch ein im Süden an der Reeser Straße liegendes Eingangstor zugänglich ist. Das allgemeine Erscheinungsbild des Friedhofs wird von Rasenflächen und vereinzelt stehenden Bäume geprägt. Insgesamt existieren 86 Grabsteine. Die meisten stammen aus der Zeit zwischen 1901 und dem Zweiten Weltkrieg. Daneben gibt es einige Stelen aus dem 19. Jahrhundert, die ursprünglich auf dem Friedhof an der Kalkarer Straße Ecke Pfalzdorfer standen.

Ein Großteil der Grabmale ist in Reihen angeordnet. Es sind allerdings auch einige allein stehende Steine vorhanden, wobei ein Schwerpunkt an Begräbnisstätten eindeutig im rückwärtigen Teil der Anlage auszumachen ist. Anders als bei jüdischen Begräbnisstätten üblich, sind die Gräber nicht in Richtung Jerusalem, sondern nach Süden oder Norden ausgerichtet.

Im Einzelnen handelt es sich um Grabmäler unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Form mit eingemeißelten Inschriften. Meist kamen schlichte hoch- oder querrechteckige Steinstelen zur Aufstellung. Grabplatten bilden die Ausnahme.

Denkmalwertbegründung:

Bedeutung für Städte und Siedlungen

Der Friedhof ist bedeutend für Städte und Siedlungen als Dokument und Erinnerung jüdischen Lebens und jüdischer Kultur in Goch. Juden lebten nachweislich schon vor dem Pestjahr 1349/50 in der niederrheinischen Stadt. Eine jüdische Gemeinde ist ab dem 16. Jahrhundert belegt. Zwei Jahrhunderte später erreichte diese ihre höchste

Die wachsende Zahl jüdischer Gläubiger führte zum Bau einer größeren Synagoge (eine Synagoge lässt sich in Goch erstmals für das Jahr 1724 nachweisen). Das neue Gotteshaus wurde 1812 in der Herzogenstraße eingeweiht. 1862 erfolgte dessen grundlegende Renovierung und der Neubau von Gemeindehaus und Schule.
In der Folgezeit prägten die in Goch ansässigen Juden vor allem die örtliche Wirtschaft. Der jüdischen Familie Sternefeld gehörte am Südring eine Schuhfabrik, in der in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg bis zu 500 Menschen arbeiteten. Außerdem besaßen mehrere Juden größere Ladengeschäfte im Ort, darunter das Kaufhaus der Familie Koopmann und das Pelzwarengeschäfte Moses Devries in der Voßstraße.

Im Verlauf des 20. Jahrhunderts nahm die Zahl der Juden in Goch dann rapide ab. Aufgrund einer Masernepidemie, der Auswirkungen des Ersten Weltkriegs (vier Kriegsgräber auf dem Friedhof erinnern unmittelbar daran) sowie der Abwanderung aus wirtschaftlichen Gründen lebten 1925 nur noch 81 jüdische Bürger in Goch. Durch die Verfolgung in nationalsozialistischer Zeit wurde die jüdische Gemeinde dann nahezu vollständig ausgelöscht.

Der ortsgeschichtliche Zeugniswert des Friedhofs an der Reeser Straße/Kalkarer Straße ist umso bedeutender, als andere Stätten jüdischen Gemeinde-Lebens außer den Begräbnisplätzen heute nicht mehr existieren. Die Synagoge mit angeschlossener Schule wurde während der Reichspogromnacht 1938 schwer beschädigt und anschließend durch einen Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg endgültig zerstört. An ihrer Stelle befindet sich heute ein Parkplatz. Der älteste jüdische Friedhof der Stadt, gelegen an der Straße Hinter der Mauer zwischen den Straßen Hinterm Engel und Auf dem Wall, wurde 1930 abgeräumt und ist seit einigen Jahren teilweise bebaut und somit nicht mehr erlebbar.

Wissenschaftliche Gründe für ein öffentliches Interesse an Erhaltung und Nutzung

An der Erhaltung des jüdischen Friedhofs Reeser Straße / Kalkarer Straße besteht aus wissenschaftlichen Gründen ein starkes öffentliches Interesse. Die Erforschung und Pflege der Hinterlassenschaften jüdischen Lebens und jüdischer Kultur steht spätestens seit den 1990er Jahren im Vordergrund der kulturpolitischen Agenda und akademischen Auseinandersetzung (vgl. Quellen/Literatur: Pracht 2000 und Bajohr 2005). Nicht zuletzt der eng mit dem Friedhof verknüpften Geschichte der jüdischen Gemeinde Gochs wurde hierbei in wissenschaftlichen Aufarbeitungen bereits Aufmerksamkeit zuteil (vgl. Pracht 2000, S. 327-336). Neben der Ortsgeschichte bietet die Begräbnisstätte vor allem für die religionsgeschichtliche Forschung Aufschlüsse. Der Friedhof spielt im Judentum generell eine hervorgehobene Rolle. Wie in der Synagoge besteht für Männer die Vorschrift, eine Kopfbedeckung zu tragen. Die hebräische Bezeichnung als „Haus der Ewigkeit“ weist darauf hin, dass nach jüdischem Religionsgesetz die Totenruhe für alle Zeiten gilt und Friedhöfe demnach für die Ewigkeit angelegt sind. Die Umbettung oder Neubelegung eines Grabes ist – anders als in der christlichen Friedhofskultur – daher nicht möglich.

Abgesehen von der grundsätzlich wichtigen religiösen Bedeutung des Friedhofs lassen sich aufgrund der aus unterschiedlichen Zeitabschnitten überlieferten Grabsteine zudem Aussagen über die jeweiligen Bestattungsbräuche treffen. Waren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Grabsteine zunächst meist gleichförmig, um der Gleichheit aller Toten zu entsprechen, kam in den folgenden Jahrzehnten eine wachsende Formenvielfalt auf, da stärker als zuvor die individuelle Lebensleistung des Verstorbenen thematisiert wurde. Ab den 1920er Jahren gab es dann wieder eine Rückbesinnung auf bescheidenere Grabmäler.

Für die Erhaltung der Anlage sprechen weiterhin kultur- und sozialgeschichtliche Aspekte. Von der Größe und der Qualität der Steine, dem Umfang, der Darstellung und dem Inhalt der Inschriften lassen sich weitreichende Aussagen über die Lebensumstände der Verstorbenen und ihren Zeitgenossen ableiten („Archiv aus Stein“). Die auf dem Gelände des jüdischen Friedhofs Reeser Straße / Kalkarer Straße äußerst vielseitigen vorhandenen Grabmäler sind nicht zuletzt auch für die kunsthistorische Forschung von Interesse, zumal die Steine – teilweise mit hohem künstlerischen Anspruch – sehr unterschiedlich gestaltet sind. Waren sie ursprünglich in der Regel aus Sandstein, wurden später auch Marmor, Granit oder Zementguss verwendet – Entwicklungen, die sich an der überlieferten Substanz authentisch ablesen lassen.

Auch aus genealogischen und familiengeschichtlichen Gründen ist eine Erhaltung notwendig. Stellvertretend genannt seien hier nur die Gräber des Textilhändlers Jakob Koopmann (gest. 1912) oder der Familie Valk. Diese war nach Aufenthalt in mehreren Konzentrationslagern mit Kriegsende nach Goch zurückgekehrt. Bei der letzten auf dem Friedhof beerdigten Person handelt es sich um Erna Valk.

Schutzumfang: 

Schutzgegenstand sind die erhaltene Fläche des gesamten Gräberfeldes sowie die überlieferten Grabsteine. Die äußeren Grenzen bilden die Reeser Straße im Südwesten, Wohnbebauung im Nordwesten sowie Südosten und Ackerflächen im Nordosten.

Details des Denkmals

Adresse Reeser Straße, 47574 Goch
Laufende Nummer 103
Eingetragen am

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